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buch:das_galaktische_archiv [2018/04/20 15:03] Steffen Glavanitz |
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+ | Der Anfall begann harmlos, mit einem Brennen in der Brust, aber | ||
+ | Kriegsherr Krom wußte, daß das Brennen nur der Anfang war.\\ | ||
+ | Ausgerechnet jetzt! dachte er mit einer Mischung aus Zorn und Ver- | ||
+ | zweiflung. So kurz vor der entscheidenden Sitzung des Direktoriums ...! | ||
+ | Das Brennen wurde stärker. Bald würden die Schmerzen kommen, | ||
+ | und nach den Schmerzen die Krämpfe — und dann der tiefe Sturz in die | ||
+ | Bewußtlosigkeit, | ||
+ | Krom biß die Zähne zusammen.\\ | ||
+ | Hoffentlich gelang es ihm, seine Kabine zu erreichen, bevor die | ||
+ | Krämpfe einsetzten. Er durfte keine Schwäche zeigen, nicht jetzt, nicht | ||
+ | hier im Kommandostand der MORTUS, nicht vor den Augen der Klon- | ||
+ | soldaten, die an ihren Kontrollpulten saßen und die letzten Vor- | ||
+ | bereitungen für den Transit durch das Schattentor trafen. | ||
+ | Auf dem parabolischen Sichtschirm, | ||
+ | des treppenförmig abfallenden Raums einnahm, glitzerten die Sterne | ||
+ | des Herculeshaufens. Mit halber Lichtgeschwindigkeit fiel die | ||
+ | MORTUS dem dunklen Fleck des Schattentors entgegen, das sich in | ||
+ | wenigen Minuten öffnen würde. Im kalten Licht der scharf umrissenen | ||
+ | Scheinwerferkegel, | ||
+ | schwarzuniformierten Klonsoldaten auf den drei Terminalebenen unter | ||
+ | Kroms wuchtigem Sessel an Marmorstatuen. Wie erstarrt saßen sie da, | ||
+ | mit dem Rücken zu Krom, die Augen hinter den getönten Helmvisieren | ||
+ | auf die Instrumente und Displays ihrer Pulte gerichtet, um plötzlich, | ||
+ | ruckartig, mit maschinenhaft präzisen Bewegungen, Schalter umzule- | ||
+ | gen, Druckknöpfe zu betätigen, Korrekturanweisungen in den Navigati- | ||
+ | onscomputer einzugeben. Dann erstarrten sie wieder.\\ | ||
+ | Niemand sprach. Jeder wußte, was er zu tun hatte.\\ | ||
+ | Sie waren Klons. Soldaten aus der Retorte, Werkzeuge.\\ | ||
+ | Das Brennen in Kroms Brust breitete sich aus. Sein Fleisch schien in | ||
+ | Flammen zu stehen, und sein Blickfeld verschwamm. Mit eiserner Wil- | ||
+ | lenskraft kämpfte er gegen die zunehmenden Schmerzen an. Ein dünner | ||
+ | Schweißfilm glänzte auf seiner Stirn, und sein kantiges Gesicht war | ||
+ | grau wie verwittertes Gestein.\\ | ||
+ | Dann ließ der Anfall nach, doch ihm war klar, daß ihm nur eine kurze | ||
+ | Pause vergönnt war.\\ | ||
+ | Er mußte sich beeilen.\\ | ||
+ | Zuviel stand auf dem Spiel. Schwäche vor den Klonsoldaten zu zei- | ||
+ | gen, bedeutete, das Gesicht zu verlieren, und wenn die Direktoren da- | ||
+ | von erfuhren... Ein grimmiges Funkeln trat in seine Augen. Nein, dach- | ||
+ | te er, diesen Triumph werde ich ihnen nicht gönnen. Niemand wird dem | ||
+ | herculeanischen Kriegsherrn Schwäche nachsagen können.\\ | ||
+ | Er holte tief Luft und berührte eine der Sensortasten an der rechten | ||
+ | Lehne seines Kommandosessels. Auf der Ebene unmittelbar unter ihm | ||
+ | drehte sich der Sitz seines Adjutanten zischend herum.\\ | ||
+ | »Sir?« sagte Adjutant Faal.\\ | ||
+ | Der dunkel getönte Visierhelm verbarg seine Augen und ließ nur den | ||
+ | Spalt des Mundes und das eckige Kinn frei. Faal sah aus wie alle ande- | ||
+ | ren Klonsoldaten, | ||
+ | von Herculea gezüchtet wurden, doch in einer Hinsicht unterschied er | ||
+ | sich von den gewöhnlichen Klons — er trug einen Namen statt einer | ||
+ | Nummer.\\ | ||
+ | Flüchtig dachte Krom an Dool, seinen zweiten Adjutanten, der trotz | ||
+ | des genetisch verankerten Gehorsamprogramms desertiert war und | ||
+ | Flaming Bess und dem Klansmann Ka die Flucht von Herculea er- | ||
+ | möglicht hatte.*\\ | ||
+ | Unwillkürlich ballte er die Fäuste.\\ | ||
+ | Auch wenn Flaming Bess entkommen war — früher oder später | ||
+ | würde er sie aufspüren und zur Strecke bringen. Sie konnte sich nicht | ||
+ | ewig vor ihm verstecken. Irgendwann würden die herculeanischen | ||
+ | Patrouillenschiffe, | ||
+ | die NOVA STAR wiederfinden. Flaming Bess ahnte es nicht, aber an | ||
+ | Bord ihres Schiffes befand sich ein unfreiwilliger Verräter mit einem | ||
+ | psychotronischen Sender im Gehirn. Es war nur eine Frage der Zeit, | ||
+ | bis die Patrouillen die Signale empfingen und die Position der NOVA | ||
+ | STAR feststellten, | ||
+ | Eine neue Schmerzwelle erinnerte ihn daran, daß es im Moment | ||
+ | wichtigere Dinge gab.\\ | ||
+ | »Übernehmen Sie, Faal«, sagte er gepreßt. »Ich bin in meiner Kabi- | ||
+ | ne, um mich auf die Sitzung des Direktoriums vorzubereiten. Bis zur | ||
+ | Ankunft auf Herculea will ich nicht gestört werden, verstanden? | ||
+ | »Verstanden, | ||
+ | Ein Knopfdruck, und Faal schwenkte mit seinem Sitz wieder zum | ||
+ | Kontrollpult herum.\\ | ||
+ | Krom unterdrückte ein Stöhnen, als der Schmerz wie ein glühendes | ||
+ | Messer in sein Fleisch schnitt. Panik stieg in ihm auf. So stark waren die | ||
+ | Schmerzen noch nie gewesen. Schon schnürte der erste Krampf seine | ||
+ | Brust zusammen und preßte ihm die Luft aus der Lunge. Schatten tanz- | ||
+ | ten vor seinen Augen.\\ | ||
+ | Nein! dachte er verzweifelt. Ich darf nicht zusammenbrechen, | ||
+ | hier im Kommandostand ...!\\ | ||
+ | Mit übermenschlicher Kraftanstrengung stemmte er sich aus dem Ses- | ||
+ | sel hoch. Seine Beine drohten unter ihm nachzugeben, | ||
+ | gelang es ihm, die wenigen Schritte bis zum Schott zurückzulegen und | ||
+ | die rechte Hand gegen das Sensorschloß zu pressen.\\ | ||
+ | Zischend glitt das Schott zur Seite.\\ | ||
+ | Ein weiterer Schritt, und er stand draußen in der kahlen Stahlröhre des | ||
+ | Hauptgangs. Kaum hatte sich das Schott hinter ihm geschlossen, | ||
+ | te ihn der nächste Krampf. Eine erbarmungslose Faust schien sein Herz | ||
+ | zu zerdrücken. Er stolperte und sackte halb gegen die Wand. Ein erstick- | ||
+ | ter Laut entrang sich seiner Kehle.\\ | ||
+ | Bei den Ahnen! durchfuhr es ihn. Ich schaffe es nicht!\\ | ||
+ | Keuchend, am ganzen Körper bebend, hielt er sich an der Wand fest. | ||
+ | Langsam flauten die Schmerzen ab und hinterließen Schwäche und | ||
+ | Übelkeit.\\ | ||
+ | Er wankte weiter. Seine Beine waren bleischwer, und er konnte kaum | ||
+ | noch etwas sehen. Kalter Schweiß rann über sein verzerrtes Gesicht. | ||
+ | Wieder eine Schmerzwelle, | ||
+ | Er stürzte und schlug schwer auf dem Boden auf, doch er spürte den | ||
+ | Aufprall kaum. Die Schmerzwellen kamen jetzt immer schneller, und | ||
+ | das Ende des Gangs war noch schrecklich weit entfernt.\\ | ||
+ | Nicht aufgeben, dachte Krom. Du mußt es versuchen, du mußt es | ||
+ | schaffen!\\ | ||
+ | Er kroch weiter. Meter um Meter kämpfte er sich vorwärts, während | ||
+ | tief im Bauch des Schiffes die Fusionsmeiler anliefen und die Trieb- | ||
+ | werke mit Energie beschickten. Die MORTUS beschleunigte und nahm | ||
+ | Kurs auf das Schattentor. Das Dröhnen der Triebwerke wurde lauter; | ||
+ | nicht mehr lange, und das Flaggschiff der herculeanischen Flotte würde | ||
+ | durch das Dimensionstor in das sterbende Nachbaruniversum zurück- | ||
+ | kehren, in das Kroms Vorfahren vor Jahrtausenden verbannt worden | ||
+ | waren.\\ | ||
+ | Weiter! dachte Krom. Weiter! | ||