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heft:hexentanz

Titel: Hexentanz
Autor: Frank deLorca
Originaltitel
Reihe:Gespenster-Krimi Band 81
Titelbild: R. Cortiella
Verlag Bastei, Bergisch Gladbach 1975

Der Schankraum schien leer zu sein. Ich konnte keinen Menschen erblicken. Erst als ich näher trat, erkannte ich eine alte Dame, die sehr gebrechlich und sehr aufrecht hinter einem Glaskasten stand, der die linke Hälfte der zinkbeschlagenen Theke einnahm. Die Vitrine mit bunten Postkarten, Prospekten dieses Teils der Ardennen und allerlei Süßigkeiten, verzerrte ihr Gesicht unmäßig. Die Tränensäcke wirkten noch größer, ihr gepudertes Gesicht noch verfallener. Ich erschrak. Leblos harrte die Frau, die ich auf mindestens siebzig Jahre schätzte, in ihrem Versteck aus und musterte mich aus erfahrenen Augen von einem erstaunlich reinen Blau. Überhaupt waren es diese Augen, die in dem erstarrten Gesicht mit schiefen Lippen und faltiger Haut, das wie eine Maske aus Puder und Creme wirkte, eine Spur von Anziehungskraft besaßen. Ich konnte nur hoffen, daß die Betten jünger waren als die Besitzerin des Hotels, dem ich allenfalls die Bezeichnung Herberge zugebilligt hätte. Denn jeder Stein atmete Verfall. Das Geschäft schien nicht besonders gut zu gehen, obgleich das Etablissement gegenüber dem Burgtunnel lag, nur durch die Uferstraße vom gleichnamigen Flüßchen Semois getrennt.

heft/hexentanz.txt · Zuletzt geändert: 2016/10/24 10:34 von Steffen Glavanitz