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heft:im_zeitexil_-_terra

  Titel:Im Zeitexil
Autor: Nelson Bond
Reihe:Terra Band 516
Originaltitel: Exiles of time (1940)
Übersetzer:
Titelbild: Karl Stephan
Verlag:Moewig, Rastatt 1967

Lance Vidor blieb am Rand des steilen Hohlwegs stehen. Hier, über den rosa Schatten, die die Sonne auf Sand und Gestein warf, war wenigstens ein Windhauch. Da unten, wo sich die Arbeiter abmühten, würde die Luft stickig, staubig und verbraucht sein.

Er zögerte bei dem Gedanken an die dumpfe Hitze. Aber Al-Hamid drängte ihn mit dem Eifer des Mannes, der schon das versprochene Gold in seinem Beutel klingeln hört.

„Da unten, Akid“, sagte er. „Sehen Sie doch – eine Spalte in dem Felsen. Bei Allah – ein Grab.“ Und mit schmieriger Frömmigkeit fügte er hinzu: „Sein Name sei gepriesen!“

Lance schüttelte die Hand des Dragomans ab. Er mißtraute Al-Hamid. Aber er mußte zugeben, daß der Mann von Nutzen war. Ohne ihn hätte sich die Expedition sicher als so nutzlos erwiesen wie schon Dutzende vorher. Al-Hamid war es gewesen, der die Fellachen angeheuert hatte. Er hatte auch die Beamten in Maan bestochen, damit sie Forsythe und seine Assistenten so nahe an den Ruinen von Petra graben ließen.

„Schon gut“, sagte Lance. „Aber langsam. Ich möchte nach unten klettern – nicht schlittern.“

Er begann den mühevollen Abstieg. Der Weg war so schwierig, daß er keine Zeit fand, die Schönheit seiner Umgebung zu bewundern. Diese Klippen, in denen er und die anderen Teilnehmer an Forsythes Expedition gruben, waren ein Labyrinth von rosa, lila und goldenen Schluchten und Hängen. Eine leuchtende Farbskala, die um so stärker ins Auge drang, weil man sich an die graue Eintönigkeit der nordarabischen Wüste gewöhnt hatte.

Das also war das geheimnisvolle Bergversteck der Nabatäer, dieser arabischen Rasse, deren schriftliche Aufzeichnungen bis ins Jahr 312 vor Christus zurückgingen. Einst hatten diese spitzen Zinnen ein ganzes Reich umschlossen. Nun erinnerten nur noch nackte Ruinen an diese Zeit. In Petra, das nur ein paar Meilen entfernt lag, hatte man viele Zeugnisse der Vergangenheit freigelegt: große Tempel, die nicht durch das Zusammentragen von Felsquadern entstanden, sondern direkt in das Gestein geschnitten waren. Spruchbänder, deren Symbole der Nachwelt nichts mehr bedeuteten, massive Altäre, Häuser. Und vor allem – Gräber. Gräber der Alten, die schweigend die Geheimnisse festhielten, nach denen die Archäologen so eifrig suchten.

heft/im_zeitexil_-_terra.txt · Zuletzt geändert: 2018/08/27 18:52 von Steffen Glavanitz