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heft:koenig_der_wasserwelt_-_terra

  Titel: König der Wasserwelt
Autor: Jack Vance
Reihe:Terra Band 508
Originaltitel:The blue world (1966)
Übersetzer: Birgit Bohusch
Titelbild: Karl Stephan
Verlag:Moewig, Rastatt 1967

Die früheren Kastenbezeichnungen des Inselvolks hatten zum großen Teil ihren Sinn verloren. Man kannte zwar die Namen, denn sie waren in den Aufzeichnungen der großen Flucht schriftlich niedergelegt, aber was bedeuteten sie schon den Menschen der elften und zwölften Generation? Mischheiraten der verschiedenen Kasten hatten die Verwirrung vollständig gemacht. Das hieß durchaus nicht, daß die Gesellschaft auseinanderfiel. An Stelle der Kasten waren die Berufe getreten. Schmuggler waren jetzt Teerkocher, die sogenannten Hooligans arbeiteten als Weidenflechter oder Färber.
Ein Beruf stand in besonders hoher Achtung – der des Morsefunkers. Denn die Signaltürme, die auf jeder Insel direkt über der Hauptwurzel errichtet waren (von geschickten Bauarbeitern aus der früheren Fassadenkletterer-Kaste), verbanden die Sippen miteinander. Ein solcher Turm bestand im allgemeinen aus einem Weidenruten-Gestell, das mit Hilfe von Trossen fest mit dem unter Wasser liegenden Hauptstamm der Insel verbunden war. An der Spitze des bis zu dreißig Meter hohen Turmes befand sich eine Art Kanzel, deren Wände aus geflochtenem Seegras bestanden. Zu beiden Seiten war ein Gestell mit je neun Lampen befestigt, die von der Kanzel aus bedient wurden. Sichtluken in den Wänden gestatteten einen weiten Rundblick über die anderen Inseln – hinüber nach Greenlamp etwa, das zwei Meilen entfernt lag, oder nach Leumar, das man eine Viertelmeile südlich erkennen konnte.
Der Funker saß vor einer Anlage mit Hebeln und Stößeln, je neun für das rechte und linke Gestell. Jede Lampenkonfiguration bedeutete ein Wort. Die meisten Bewohner konnten bis zu fünftausend Worte lesen, einige Gebildete sogar mehr. Man hatte die Signalzeichen auch für die Archive übernommen – trotz des scharfen Protestes von Seiten der Schreiber.
Auf Tranque, der Randinsel im Osten, war ein gewisser Zander Rohan Oberster Funker, ein pedantischer alter Mann, der siebentausend Wortstellungen beherrschte. Sein Erster Gehilfe, Sklar Hast, hatte fünftausend Worte zur Verfügung – das heißt, mehr hatte er noch nicht gefunkt. Dann waren noch zwei Gehilfen da, drei Lehrlinge, zwei Helfer, die den Turm instandhielten und einer, der die Lampen anzündete.
Zander Rohan arbeitete von Sonnenuntergang bis zum späten Abend. Das waren die Stunden, in denen am meisten gefunkt wurde: Klatsch, Anzeigen, Neuigkeiten und Angaben über den Aufenthalt von König Kragen gingen zwischen den Inseln hin und her.

heft/koenig_der_wasserwelt_-_terra.txt · Zuletzt geändert: 2018/08/27 19:07 von Steffen Glavanitz