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heft:satanische_klauen

Titel: Satanische Klauen
Pseudonym: Dan Shocker
Autor: Jürger Grasmück
Originaltitel
Reihe:Larry Brent Band 119
Titelbild: R.S. Lonati
Verlag: Zauberkreis, Rastatt 1984

Diese Nacht sollte Josephine Bandelle nie vergessen. Das kam so. Täglich fuhr sie den Weg von Carcassonne nach St. Chemin, einem kleinen Ort in den Bergen. In Carcassonne unterhielt sie einen kleinen Souvenirladen, in St. Chemin, gut dreißig Kilometer entfernt, wohnte sie. Während der Sommermonate lohnte sich diese tägliche Fahrt. Sie setzte gut um. Carcassonne wurde von vielen Touristen aus dem In- und Ausland besucht. Jetzt näherte sich der Herbst. Der Strom der Touristen war versiegt. Es kam die Zeit, da die alte Stadt mit den massigen Mauern und wuchtigen Türmen wie ausgestorben wirkte. Josephine beschloß, den Laden nur noch diese Woche offenzuhalten. An diesem Abend hatte sie schon mit der Inventur begonnen. Sie verließ die Stadt später als gewöhnlich und fuhr über die kurvenreiche, wenig benutzte Strecke hinauf in die Berge. Über die Cevennen pfiff der Wind. Es war stockfinster. Die Scheinwerfer des Peugeot rissen mit riesigen Geisterfingern die kahlen Alleebäume aus der Finsternis und warfen sie rechts und links in die tristen Gärten, die verlassenen Weinfelder wieder zurück. Wie gern fuhr sie diese Strecke im Frühjahr, wenn alles in voller Blüte stand. Da glaubte man sich im Paradies. Die klare Luft war wie Seide, auf die ein Künstler schillernde Blüten mit leichter Hand gepinselt hatte. Jetzt im herbstlichen Regen lag alles grau in grau. Josephine haßte diese Tage. Die triste Stimmung gehörte nicht in diese Landschaft, fand sie. Die Berge kamen näher in einer Kurve. Die fünfunddreißigjährige Geschäftsinhaberin nahm das Gas weg. Es war eine Neunzig-Grad-Kurve. Dahinter stieg die schmale Straße steil an, um schließlich eine kurze Zeitlang schnurgeradeaus zu laufen. Es regnete unaufhörlich. Die Scheibenwischer schwappten hin und her. Links wieder Felder, rechts ein schmaler Randstreifen, dahinter gleich der Abhang. Den abendlichen Rückweg nutzte sie als eine Art Entspannung. Sie brauchte auf keinen Verkehr zu achten. Ihr war noch nie ein Wagen begegnet, und ebensowenig war es vorgekommen, daß ein anderer sie überholte. Sie zog den Peugeot in die nächste Kurve - und mußte heftig auf die Bremse treten. Der Wagen rutschte über die regennasse Straße. Josephine Bandelle hielt den Atem an. Mitten auf der Straße lag - ein Kind.

heft/satanische_klauen.txt · Zuletzt geändert: 2016/09/18 17:33 von Steffen Glavanitz